Restaurants dürfen wieder öffnen und viele schauen sehnsüchtig nach Urlaubszielen für den Sommer 2020. Die direkten Auswirkungen von Corona sind bald vorbei und gehören bald der Vergangenheit an. Ein globales Ereignis, welches sicher in die Small-Talk Hall Of Fame einziehen wird!
Der seit Jahren prognostizierte Homeoffice-Trend wurde mal kurzfristig und ohne Vorbereitung geübt. Die Auswirkungen auf große und kleine Unternehmen aber auch digital / cloud – native und eher old economy Unternehmen wird in den nächsten Monaten noch viel diskutiert und in jeder Ebene des Organigramms stellt sich die Frage: “Warum kann bei der Konkurrenz jeder Mitarbeiter von zu Hause aus ohne Probleme arbeiten, aber ich fliege ständig aus meinem VPN raus?”. Das wird sicherlich Auswirkungen auf die Cloud & Digitalisierungsstrategie haben: Siehe Walmart in den USA – belächelt für den Online-Fokus und jetzt bewundert, wie viel diese in den letzten Monaten umsetzen konnten oder Under Armor, welche statt auf E-Commerce auf Digitalisierung von Kleidung gesetzt haben und jetzt in einer noch schwierigeren Lage sind als schon vor der Krise.
Umso mehr ist jetzt die Zeit sich über die sekundäre Effekte des Coronavirus nachzudenken, denn es wird sich unumkehrbar viel verändern.
Was bedeutet es wirklich, dass für ein paar Monate fast alle Bürotätigkeiten plötzlich von zu Hause erledigt worden sind? Viele große Firmen haben bereits angekündigt, entweder bis Ende 2020 oder für immer Home Office zu erlauben, dazu gehören: Spotify, MasterCard, Facebook, Google, Apple, Microsoft, …
Vom Mindset her: Natürlich wird nicht jeder sofort und immer von zu Hause arbeiten, aber wenn nur 25 % der Arbeitnehmer ab dem dritten oder fünften Berufsjahr für drei Wochen im Monat zu Hause arbeitet, hat dies enorme Auswirkungen.
In jeder Industrie sollte man sich Gedanken machen:
- Bin ich oder sind meine Kunden darauf angewiesen, dass Menschen im Büros arbeiten?
- Werden meine Produkte / Dienstleistungen eher in Büros oder während der Fahrt ins Büro konsumiert oder zu Hause?
Daraus ergeben sich einige spannende Erkenntnisse. Ich wage ein paar naheliegende, aber dennoch spannende Prognosen für die Zukunft. Dabei beruht alles darauf die aufkommenden Fragen zu Ende zu denken.
Immobilienmarkt
Ganz klar wird der gewerbliche Immobilienmarkt betroffen sein: Wenn mehr Angestellte von zu Hause arbeiten, wird weniger Bürofläche gebraucht. Zusätzlich wird die IT Infrastruktur der Unternehmen besser, so dass mehr Unternehmen feste Schreibtische aufgeben werden, floating desk ist dann die Regel. Warum braucht man auch einen festen Schreibtisch, wenn man nur wenige Tage im Monat im Büro ist und im Büro keine persönlichen Gegenstände mehr aufbewahrt. Erinnert man sich an das Lernen in Universitätsbibliotheken zurück, so werden alle Studenten als Berufseinsteiger das ja schon kennen.
Insgesamt bedeutet das, dass Unternehmen weniger Fläche benötigen und so ihren Footprint deutlich senken können.
Dagegen werden kleine, sehr repräsentative Büros in zentraler Lage sicherlich weiterhin beliebt bleiben.
Prognose: In den Städten werden kleinere Büros in sehr guter Lage sehr beliebt bleiben. Große Office Komplexe werden weniger gefragt sein. Die Auslagerung in Randgebiete oder Vororte wird verstärkt – mit weniger Fläche je Unternehmen. Spannend wird hier die Auswirkungen auf Geschäfte und Läden sein, welche sich um diese Office Komplexe und Geschäftsleute in der Mittagspause ausgerichtet haben: Restaurants, Fast Food, Lieferdienste, Friseure, Bekleidungsgeschäfte, kleine Supermärkte…
Wird dies das Aussterben von kleinen Geschäften in den deutschen Innenstädten beschleunigen?
Auch im privaten Immobilienmarkt werden sich die Kräfte verschieben, die Anziehungskraft von Großstädten wird stark nachlassen und Städte & Gemeinden mit sehr guter IT Infrastruktur mehr Menschen anziehen können. Kleinere Wohnungen in Städten werden gegen größere in Voroten oder Häusern eingetauscht. Man muss natürlich ein oder zwei Büros einplanen. Wenn man nur drei mal im Monat ins Büro muss, warum dann nicht gleich direkt im Grünen wohnen?
Wenn man mehr von Zuhause arbeitet und aktuell eine Wochenendbeziehung führt, macht das nicht Sinn einen der beiden Hausstände aufzulösen? Man spart sich viel Geld und Zeit für das Pendeln und kann dies in eine einzige, teurere Wohnung oder gleich in ein Haus stecken?
Im Büro
Viele Firmen bieten aktuell kostenlose Getränke, Obst und Mittagessen über Kantinen an. Wie wird sich das in der Zukunft verändern? Wie können Mitarbeiter, welche von zu Hause arbeiten, auf diese Perks zugreifen oder erhalten Sie dadurch andere Vorteile? Wird der große Drucker noch benötigt oder wird vermehrt auf digitales umgestellt?
Bekleidung
Schon seit Jahren setzt sich der Trend fort, dass der Casual Friday auf die anderen Wochentage erweitert wird. Im Home Office wird sich der Trend sicherlich nicht umkehren. Auch hier wird sich der Trend zu wenigen hochwertigen Teilen verstärken – der Markt für günstige Businessbekleidung macht nicht so viel Sinn: Günstige Hemden bei Männern, früher im Dutzend gekauft, jetzt reichen vier hochwertige Hemden für einen Monat.
Pendelverkehr
Nicht nur werden Autos länger halten, da wir deutlich weniger Kilometer fahren, auch werden wir weniger Sprit verbrauchen und damit die Umwelt schonen. Auch im Bahnverkehr wird sich zeigen, dass weniger Passagiere und weniger Jahres- & Monatskarten zu teureren Preisen, aber weniger Rush-Hour Traffic führen. Die Nutzung von Fahrrädern wird sicherlich stark zunehmen.
Gleichzeitig sollten Wochenendpendler deutlich abnehmen und mehr Partnerschaften zusammenziehen können. Dabei kann eine Person in Hamburg arbeiten, eine in München und man wohnt in Magdeburg. Früher ist man abwechselnd gependelt und hat zwei Hausstände geführt. Jetzt wohnt man günstiger und kann seine beruflichen Verpflichtungen voll nachkommen.
Vereinbarkeit von Arbeit und X
Die passende Arbeit zu finden war bisher von vielen Randfaktoren abhängig, welche wenig mit der eigentlich Arbeit zusammenhängt: Will ich umziehen (Partner, Familie, Freunde, aber auch Mietpreise und Umgebung), will ich länger pendeln? Durch eine vermehrte Home Office Policy werden sich diese Angestellte die Wunsch-Arbeitgeber aussuchen können, und gleichzeitig ihren Eltern, Partner, Kindern und Freunden gerecht werden.
Familie & Freizeitaktivitäten
Man hat im Home Office deutlich mehr Zeit. Entweder arbeitet man mehr, dass ist aber nur eine kurzfristige Auswirkung, bis sich jeder daran gewöhnt hat. Dann spart man sich einfach die Pendelzeit und kann in 10 Minuten freier Zeit zwischen Termine mal schnell den Müll rausbringen oder die Gitarre üben… Was kann das bedeuten? Deutlich mehr Freizeit und durch die Abnahme an sozialen Kontakten während der Arbeit gleicht man diesen mit Freunden und der Familie aus. Auch denke ich, dass der Familienzusammenhalt deutlich gestärkt werden sollte.
Haustiere
Viele Menschen wünschen sich Haustiere als Begleiter, konnten dies aber auf Grund von den beruflichen Verpflichtungen nicht sinnvoll umsetzen. Dies sollte sich stark ändern und ich gehe stark davon aus, dass sich mehr Menschen Haustiere zulegen werden – alle damit verbunden Branchen (Tierfutter, Tierärzte) werden sicherlich auch davon profitieren!
On-Site statt Off-Sites
Mark Zuberberg hat das in einem Interview sehr passend formuliert: Er geht davon aus, dass Facebook sich keine Kosten durch die Home Office Politik sparren wird, da es vermehrt On-Sites geben wird um die Belegschaft zusammenzubringen und diese alle Kosten, welche sie an Mieten / Grundstückspreisen sparen, wieder auffressen. Wichtig ist aber hier, wie in dem gesamten Artikel: Es findet eine drastische Verschiebung der Geldflüsse statt – wenn man als gewerblicher Vermieter und Reiseunternehmen tätig ist das rechte Tasche – linke Tasche, ansonsten sollte man deutlich auf diese Trends achten.
Offene Fragen
- Werden Unternehmen für Mitarbeiter im Home Office weniger zahlen, wenn man in günstigeren Städten oder Landkreisen wohnt? Facebook hat dies angedeutet
- Werden Unternehmen für die Ausstattung des Arbeitsplatzes und die Qualität der Internetverbindung Ihrer Mitarbeiter zahlen?
- Wie wirken sich langfristig Technologien wie erweiterte Realität (AR) und virtuelle Realität auf die Kultur eines Unternehmens, vor allem auf die zwischenmenschliche aus?